Pressemitteilung 5/2025 


Pressemitteilung 

Radiologie Initiative Westfalen-Lippe kritisiert GOÄ-Novelle 2024 scharf – Fundamentale Bedenken hinsichtlich Transparenz, Wirtschaftlichkeit und ärztlicher Einheit 

Bochum, [25.5.2025] – Nach einer sorgfältigen Analyse der vorliegenden GOÄ Novelle von 2024 sehen wir, die Radiologie Initiative Westfalen-Lippe, uns veranlasst, unsere gravierenden Bedenken hinsichtlich zentraler Aspekte der vorgelegten GOÄneu erneut öffentlich zu machen. Die vorliegende Novelle weist nach unserer fundierten Einschätzung eklatante Mängel auf, die das Vertrauen in den Reformprozess nachhaltig erschüttern und potenziell schwerwiegende Konsequenzen für die medizinische Versorgung in Deutschland nach sich ziehen. Unsere Ablehnung stützt sich auf die folgenden 4 Kernargumente: 

  1. Eklatanter Mangel an Transparenz im Novellierungsprozess und der resultierenden Gebührenstruktur: Ein zentraler Kritikpunkt betrifft den eklatanten Mangel an Transparenz, der den gesamten Prozess der GOÄ-Novellierung 2024 kennzeichnet. Weder die konkreten Kriterien und Entscheidungsgrundlagen, die zur Festlegung der neuen Gebührenpositionen geführt haben, noch die detaillierten Kalkulationsmodelle wurden der Ärzteschaft oder der breiten Öffentlichkeit in nachvollziehbarer Weise offengelegt. Dieser Intransparenz entbehrt dem notwendigen Vertrauen und der Akzeptanz, die eine solch fundamentale Reformierung des ärztlichen Honorarsystems erfordert. Die Ärztinnen und Ärzte, die die Leistungen erbringen und die finanziellen Auswirkungen dieser Novelle unmittelbar zu spüren bekommen, werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Eine derart mangelhafte Transparenz untergräbt die Legitimität der Reform und nährt den Verdacht, dass partikuläre Interessen anstelle einer evidenzbasierten und wirtschaftlich fundierten Anpassung im Vordergrund standen. Die Radiologie Initiative Westfalen-Lippe hat wiederholt Simulationsrechnungen, Transkodierungsmodelle und wirtschafliche Berechnungen bei der Bundesärztekammer angefordert. Die Anfragen wurden immer ausweichend und negativ beschieden.
    Entgegen den Aussagen der Bundesärztekammer wurden die Berufsverbände nur teilweise in den Prozess eingebunden. Von 2021 bis 2024 wurde keine nennenswerten Gespräche geführt. 
  2. Fehlende Darlegung fundierter wirtschaftlicher Kalkulationen und valider Simulationsrechnungen: Ein weiterer gravierender Mangel der GOÄ-Novelle 2024 ist das vollständige Fehlen einer Darlegung der zugrundeliegenden wirtschaftlichen Kalkulationen und valider Simulationsrechnungen. Eine Reform des ärztlichen Honorarsystems muss zwingend auf einer soliden wirtschaftlichen Basis fußen und die tatsächlichen Kosten der Leistungserbringung angemessen berücksichtigen. Dies ist zudem durch mehrere Beschlüsse deutscher Ärztetage festgehalten worden. Die Verantwortlichen halten es offenbar nicht für wichtig, nachvollziehbare Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorzulegen, die die Auswirkungen der neuen Gebührenordnung auf die verschiedenen Fachgebiete und die unterschiedlichen Versorgungsstrukturen (niedergelassene Praxen, Krankenhausambulanzen, etc.) transparent darstellen.
    Ohne derartige Analysen bleibt die Frage unbeantwortet, ob die neue GOÄ tatsächlich eine kostendeckende und wirtschaftlich tragfähige Grundlage für die Versorgung aller Fachgruppen bietet. Nach eigenen durchgeführten Rechnungen konnte gezeigt werden, dass die neuen Gebührenpositionen in vielen Bereichen die realen Kosten der Leistungserbringung nicht adäquat widerspiegeln, was zu einer Unterfinanzierung und potenziell zu einer Einschränkung des Leistungsangebots führen wird. Valide Simulationsrechnungen sind unerlässlich, um die potenziellen finanziellen Auswirkungen der Reform zu prognostizieren und unerwünschte Nebeneffekte frühzeitig zu erkennen.
    Die PKV ist im Besitz von umfangreichem Zahlenmaterial, die Ärzteschaft hingegen soll für dumm verkauft werden.
    Die Bundesärztekammer legt dar, dass der GOÄ Entwurf weiterhin auf betriebswirtschaftlichen Grundkalkulationen basiert (Quelle: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Honorar/GOAE/2025-05-24_Erlaeuterung_zum_Faktencheck.pdf). Dies zweifeln wird stark an. Grundlage der Berechnungen sind hingegen Volumenvorgaben der PKV nach denen Bepreisungen von Leistungen politisch motiviert und willkürlich vorgenommen wurden.
  3. Ignoranz und Missachtung von klaren Beschlüssen des Deutschen Ärztetages: Es besteht offenkundige Ignoranz und Missachtung klarer Beschlüsse des Deutschen Ärztetages im Rahmen der Erarbeitung der GOÄ-Novelle 2024. Der Deutsche Ärztetag, als das höchste Beschlussgremium der deutschen Ärzteschaft, hat in der Vergangenheit wiederholt klare Forderungen und Leitlinien für eine zukunftsgerechte und faire Gestaltung des ärztlichen Honorarsystems formuliert. Es ist inakzeptabel, dass diese demokratisch legitimierten Positionen der Ärzteschaft im Rahmen der Novellierungsprozesse offenbar unzureichend berücksichtigt oder gar bewusst ignoriert wurden. Dies untergräbt nicht nur das Vertrauen der Ärzteschaft in die politischen Entscheidungsträger, sondern stellt auch die Legitimität des gesamten Reformvorhabens in Frage. Die Missachtung der Beschlüsse des Deutschen Ärztetages demonstriert eine mangelnde Wertschätzung für die Expertise und die legitimen Interessen der Ärzteschaft und birgt die Gefahr einer weiteren Entfremdung zwischen Politik und Ärzteschaft. Eine erfolgreiche Reform des ärztlichen Honorarsystems erfordert jedoch zwingend einen konstruktiven Dialog und die Berücksichtigung der Perspektiven und Forderungen derjenigen, die die medizinischen Leistungen erbringen. Die bewusste Missachtung der Beschlüsse des Deutschen Ärztetages ist daher ein schwerwiegender Fehler, der das Potenzial hat, den Konsens und die Akzeptanz der neuen GOÄ nachhaltig zu gefährden.
    Die Bundesärztekammer behauptet, dass Beschlüsse des Deutschen Ärztetages vollständig umgesetzt wurden (Quelle:https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Honorar/GOAE/2025-05-24_Erlaeuterung_zum_Faktencheck.pdf). Nur durch Wiederholung dieser Aussage erhöht sich nicht ihr Wahrheitsgehalt! Die BÄK hat bislang intransparent und undurchsichtig gehandelt. Betriebswirtschaftliche Kalkulationen und Simulationen wurden nicht vorgelegt. Die BÄK teilt mit der PKV Dokumente, die der Ärzteschaft nicht vorliegen.  Die BÄK berichtet zudem:“Befürchtungen von schlechterer Honorierung beruhen oft aus nicht sachgerechten Vergleichen und fehlerhaften Modellannahmen“ (Quell: s.o.). Eine sachgerechte Richtigstellung hat die BÄK allerdings bislang verweigert.
  4. Förderung der Spaltung der Ärzteschaft in vermeintlich "sprechende" und "technische" Medizin: Ein besonders kritischer Aspekt der GOÄ-Novelle 2024 ist die Förderung einer kontraproduktiven Spaltung der Ärzteschaft in vermeintlich "sprechende" und "technische" Fächer. Die Radiologie, als ein hochtechnologisches Fachgebiet, das jedoch in erheblichem Maße auch auf ärztlicher Expertise, Interpretation und interdisziplinärer Kommunikation beruht, sieht in dieser Dichotomie eine gefährliche Fehlentwicklung. Eine Honorarstruktur, die bestimmte ärztliche Tätigkeiten – primär solche mit direktem Patientenkontakt und Gesprächsführung – überproportional begünstigt und andere, ebenso essenzielle ärztliche Leistungen – wie die hochkomplexe Bildinterpretation, die Durchführung interventioneller Eingriffe und die interdisziplinäre Befunddiskussion – relativ benachteiligt, ist fachlich nicht gerechtfertigt und birgt die Gefahr einer Abwertung technischer Disziplinen. Eine solche Spaltung ignoriert die Tatsache, dass eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung auf dem Zusammenspiel und der gleichwertigen Wertschätzung aller ärztlichen Fachrichtungen beruht. Die Radiologie leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Diagnostik und Therapie vieler Erkrankungen und ist integraler Bestandteil des gesamten medizinischen Versorgungsprozesses. Eine Honorarstruktur, die diesen Stellenwert nicht angemessen widerspiegelt, wird zu einer Schwächung der technischen Fächer und einer Beeinträchtigung der interdisziplinären Zusammenarbeit führen. Es ist essenziell, dass die GOÄ eine ausgewogene Honorierung aller ärztlichen Tätigkeiten gewährleistet und die Einheit der Ärzteschaft fördert, anstatt künstliche und schädliche Trennlinien zu ziehen.
    Die Sicht der Bundesärztekammer, dass die GOÄneu, die Ärzteschaft einen wird (Quelle: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Honorar/GOAE/2025-05-24_Erlaeuterung_zum_Faktencheck.pdf) ist daher falsch.
  5. Protest von über 40 Fachgesellschaften ignoriert. Die Behauptung, es gäbe einen ausreichenden „medialen Präsenz“ oder einen „offenen Diskurs“, ignoriert die Realität. Über 40 Fachgesellschaften protestieren offen gegen den Inhalt und das Verfahren der GOÄ-Novelle. Ihr Widerstand rührt nicht daher, dass sie „schlechte Verlierer“ wären, sondern weil ihre Anliegen nicht einbezogen, nicht gehört und nicht ernst genommen wurden.Eine solch tiefgreifende Reform, die das Fundament der privatärztlichen Abrechnung betrifft, benötigt mehr als nur formale Gremienwege. Sie erfordert eine breite, echte und gelebte Zustimmung aus der Mitte der Berufsgruppe. Alles andere ist ein Legitimationssimulakrum – eine Scheinlegitimation, die langfristig das Vertrauen in die eigenen Strukturen der ärztlichen Selbstverwaltung nachhaltig beschädigen wird.
  6. Für eine Steuerung der Honorare durch “Umverteilung” der vorgesehenen Art und Größenordnung fehlt der Bundesärztekammer das Mandat. Die Aufwertung der “sprechenden Medizin” folgt den Beschlüssen des Deutschen Ärztetages. Die gleichzeitige Abwertung von fachärztlichen diagnostischen und operativen Leistungen ist dagegen durch keinen Beschluss gedeckt. Die geplante Novellierung droht, ein Ungleichgewicht in der medizinischen Versorgung zu schaffen, das weitreichende Folgen haben wird. Während die Aufwertung der "sprechenden Medizin" – also Leistungen, die primär auf Kommunikation und Beratung basieren – unbestreitbar den Beschlüssen des Deutschen Ärztetages folgt und grundsätzlich begrüßenswert ist, steht dem eine gravierende Abwertung von fachärztlichen diagnostischen und operativen Leistungen gegenüber. Diese Abwertung ist durch keinerlei entsprechende Beschlüsse des Ärztetages gedeckt und ist willkürlich, politisch motiviert. Die „sprechende Medizin“ ist zweifellos ein zentraler Bestandteil jeder Patientenbeziehung und unerlässlich für eine umfassende Betreuung. Es ist richtig, ihren Wert anzuerkennen. Doch diese Anerkennung darf nicht zulasten derjenigen Disziplinen gehen, die das Rückgrat der modernen Medizin bilden: die diagnostischen Spezialisten wie Radiologen, Pathologen oder Labormediziner, deren präzise Analysen die Grundlage für jede Therapieentscheidung bilden, und die operativ tätigen Fachärzte. Deren Leistungen erfordern nicht nur jahrzehntelange Ausbildung und ständige Fortbildung, sondern auch immense Investitionen in modernste Technologien, teure Geräte und hochqualifiziertes Personal. Eine Abwertung dieser Leistungen ignoriert diese Realitäten und bedroht die Existenz vieler Praxen und somit die Versorgungsqualität.Wenn der Deutsche Ärztetag die „sprechende Medizin“ aufwertet, dann sollte dies als zusätzliche Wertschätzung verstanden werden, nicht als Zero-Sum-Game, bei dem andere Bereiche finanziell ausgeblutet werden. Eine GOÄ-Novelle, die ohne klare Mandatierung diagnostische und operative Leistungen finanziell beschneidet, schafft eine einseitige Umverteilung, die die medizinische Vielfalt und Spezialisierung gefährdet und letztlich der Patientenversorgung schadet. Es braucht eine GOÄ, die den Wert aller ärztlichen Leistungen anerkennt und widerspiegelt, anstatt die Ärzteschaft in gegeneinander ausgespielte Lager zu spalten.
  7. Der Aufbau einer Drohkulisse von Seiten der Bundesärztekammer und der PKV spricht Bände. Dass der PKV-Verband kurz vor dem Ärztetag mit dem Ausstieg aus dem Reformprozess droht, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. Wer so taktisch Druck aufbaut, macht klar, worum es bei dieser GOÄneu längst nicht mehr geht: um Inhalte, Versorgung oder Kollegialität – sondern um Macht, Verhandlungsmacht. Ein Ultimatum wenige Tage vor einer Abstimmung ist kein Beitrag zur Reform, sondern ein Angriff auf die Selbstverwaltung! Der Ärztetag soll offenbar nicht mehr abwägen, sondern funktionieren. Zustimmen – oder die Verantwortung für das „Scheitern“ übernehmen. Diese Strategie instrumentalisiert die lange Hängepartie der GOÄ-Reform und macht Delegierte zu Geiseln eines vermeintlichen historischen Moments. 
     Wer jetzt Ja sagt, sagt nicht nur Ja zu einem Text – sondern zu einem Verfahren, in dem Ärzte am Ende nur noch abnicken dürfen, was ihnen vorgesetzt wird. Der PKV-Verband mag seine Interessen verfolgen. Aber dass Funktionäre der Ärzteschaft diesen Druck stillschweigend weiterreichen, ist ein Verrat an der Idee freiberuflicher Verantwortung.
     

 

Die Radiologie Initiative Westfalen-Lippe fordert daher eindringlich eine grundlegende Überarbeitung der GOÄ-Novelle 2024 unter Berücksichtigung der hier dargelegten Kritikpunkte. Ein transparenter und evidenzbasierter Reformprozess, der die Expertise und die legitimen Interessen der Ärzteschaft einbezieht und die Einheit des ärztlichen Berufsstandes fördert, ist unerlässlich, um eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung in Deutschland zu gewährleisten. 

Daher ist die GOÄneu abzulehnen.